Gemeinwohlökonomie


Gelebte Demokratie und Gemeinwohlökonomie              


Die Gemeinwohlökonomie ist ein Gesellschaftsmodell mit dem Ziel des Guten Lebens, das sich auszeichnet durch Nachhaltigkeit, Berücksichtigung der Interessen zukünftiger Generationen, Orientierung auf den Menschen mit seinen Bedürfnissen, und sie bietet nach Christian Felber SINN. Es gibt ein existentielles Bedürfnis, uns im eigenen Lebenszusammenhang über genau die Vorstellung, was einen Wert hat und was einen Sinn ergibt, in unserer Persönlichkeit zu definieren. Die Begriffe Werte und Sinn sind Konstruktionen, die uns helfen uns unserer eigenen konsistenten Identität zu versichern.

Bei Christian Felber erscheinen Werte als persönliche und gesellschaftliche Orientierungen. In diesem Sinne haben sie dann auch eine grundlegende Bedeutung für das Konzept der Gemeinwohlökonomie. Werte sind das „Fundament des Zusammenlebens“ (…) „Die Werte sind wie ein Leitstern, der unserem Lebensweg eine Richtung vorgibt.“ (Christian Felber, Gemeinwohlökonomie, S.12) Diese Werte sind hier Vertrauensbildung, Kooperation, Teilen. Es sind die sozialen Werte, die eine Gemeinschaft zusammenhalten. Das, was die Marktwirtschaft im Gegensatz dazu von uns verlangt, ist eine Orientierung auf Egoismus, Konkurrenz, Gier. Wir leiden unter diesem Konflikt und wir leiden sehr, weil die Politik in entscheidenden Punkten auf die falschen Werte setzt. „… weil die Spielregeln unsere Schwächen fördern anstatt unserer Tugenden.“ (Ebd., S.13)
Zur Darstellung des Fundaments seiner GWÖ (ab hier wird dieses von Felber eingeführte Kürzel für Gemeinwohlökonomie verwendet) verwendet Felber den Anspruchsbegriff der Würde und gesteht der Würde den höchsten Wert zu. „Würde heißt Wert und meint den gleichen, bedingungslosen, unveräußerlichen Wert aller Menschen. (Ebd., S.15) aus diesem Wert, der keiner Bestätigung bedarf, der allein aus der Existenz gesetzt ist, leiten wir unsere Vorstellungen von Gleichheit ab, auf die wir dann Chancengleichheit, Freiheiten und Rechte gründen. Dem gegenüber steht ein freier Markt, in dem wir uns inhuman, rücksichtslos, auch die Freiheiten der anderen zerstörend, verhalten sollen. Ist es denn bewiesen, dass Wettbewerb die effizienteste Methode ist? Felber behauptet: Nein, keiner der nobelpreisgekrönten Ökonomen hätte dies bis heute beweisen können (nach S.19).
Wir sind in der Krise, in einer großen Krise. Der Kapitalismus hat sogar mit zehn Krisen zu kämpfen. Neben der unkontrollierbar gewordenen • Konzentration und Missbrauch von Macht, • Kartellbildung, • Standortkonkurrenz und • ineffizienter Preisbildung sind es auch soziale Faktoren, bei denen Felber eine Krise konstatiert: das wachsende Marktgefälle polarisiert und schürt Angst. • Menschenrechte werden nicht gewahrt, wir erleben für viele Menschen auf dem Planeten eine Nichtbefriedigung von Grundbedürfnissen, es gibt Hunger im einen Teil der Welt, während im anderen neue Bedürfnisse erfunden werden. • Die Ökologische Zerstörung wird billigend in Kauf genommen, obwohl wir wissen, dass die Belastungsgrenzen bald überschritten sein werden. • Das alles geht einher mit einem Gefühl von Sinnverlust, das Mittel Geld ist zum Ziel geworden. • Möglich war dies nur durch einen stetigen Werteverfall. Der Fähigere, Erfolgreichere ist in der ökonomischen Selektion der asozialere Mensch. • Und damit kommen wir im Ergebnis zu einer Ausschaltung der Demokratie. Seit den frühen Wirtschaftstheorien zur freien Hand des Marktes ist es eine Illusion, das Gemeinwohl stelle sich unter Wettbewerbsbedingungen von selbst ein. Mandevilles Bienenfabel aus dem 18. Jahrhundert ist ein Gleichnis dazu: Die Bienen in einem Bienenstock stellen fest, dass alle egoistisch vor sich hin arbeiten, jeder folgt seinen Interessen, handelt asozial, gewissenlos, es gibt Luxus und Ausbeuterei. Bis der Göttervater Jupiter ein moralisches Machtwort spricht. Da beschließen die Bienen, tugendhaften zu leben, sie werden sparsam, genügsam, mäßigen sich. Der Bienenstaat verarmt und geht zugrunde. 
Seither gilt in der Schlussfolgerung: die Selbstliebe fördere auch das Allgemeinwohl, denn die menschliche Natur sei nichts anderes als Ich-bezogen. Sie sei nicht tugendhaft sondern lasterhaft. Aber schon Mandeville schaltet die Politik dazwischen: er schränkt ein, „dass die privaten Laster durch das geschickte Vorgehen eines Politikers in öffentliche Vorteile umgewandelt werden können“. Nur so entsteht ein möglicher gesellschaftlicher Idealzustand, in welchem „der Allerschlechteste sogar für‘s Allgemeinwohl tätig“ sein könne. 1705 publizierte er anonym „Der unzufriedene Bienenstock“ („The Grumbling Hive: or, Knaves Turn’d Honest“) (Mandeville 1724, S.67-92)

Wenn wir aber nun, wie von Felber konstatiert, im Ergebnis durch die ökonomische Selektion auch noch die Demokratie verlieren, verlieren wir damit auch unseren Anspruch auf Würde, auf Menschenrechte, unseren Anspruch auf ein Gutes Leben? Wirtschaftsinteressen, Lobbyismus , die „freie Hand des Marktes“ haben die Demokratie im Würgegriff. Der Markt fordert die Aufgabe der Werte, für die wir uns auf die repräsentative Demokratie als noch nicht beste aber bisher bestmögliche Form geeinigt hatten. Zu nennen wären die hiermit in Zusammenhang stehenden Anspruchsbegriffe wie Gleichheit, Gerechtigkeit und Gutes Leben. Gleichheit bezieht sich auf die juristische Gleichheit vor dem Gesetz, als auch auf eine faire Chancengleichheit. Eine Demokratie, die dafür steht, darf sich nicht von Lobbyisten und anderen Interessengemeinschaften in den Dienst nehmen lassen und Ungleichheitsverhältnisse jedweder Art tolerieren oder gar zementieren. Das Selbstbestimmungsrecht des einzelnen kann auf unterschiedlichste Arten, immer aber in Zusammenhang mit Macht und Ungleichheit untergraben werden. Wenn die Demokratie und die ihr inhärenten Werte unterlaufen werden, braucht die Ökonomie überhaupt keine Legitimation mehr für ihr grenzenloses Wachstum. Die liberale, von allen Bindungen losgelöste Ökonomie verfolgt nur ein Ziel: Befriedigung ihrer selbst durch stetiges Wachstum.
Das ist auch das Ziel von Christian Felbers Gemeinwohlökonomie dagegen ist gelebte Demokratie unter den Vorzeichen der Würde und Kooperation.

Die Legitimation aller ökonomischen Theorie und Praxis liegt seit jeher im Gemeinwohl. Das Gemeinwohl ist das Ziel, das Gemeinwohl definiert die Möglichkeiten und Grenzen der Ökonomie. Phantasterei? Nein. Mit dem St. Gallener Wirtschaftsethiker Timo Meynhardt können wir konstatieren: „Offenkundig besitzt jede Sprache rund um den Globus ein Wort für Gemeinwohl (…) eine Gesellschaftstheorie, die ohne Gemeinwohlbezug auskommt“ gebe es „schlicht nicht“! Timo Meynhardt: Ohne Gemeinwohl keine Freiheit. Zur Psychologie des Gemeinwohls. In: Christian Felber: Gemeinwohlökonomie, S.28 In den Verfassungen der demokratischen Staaten schlägt sich der Begriff im Verfassungstext nieder. In Deutschland lautet er: Eigentum verpflichtet. Es ist aber eben auch ein unbestimmter Rechtsbegriff. Nach Jürgen Habermas wird das, was als Gemeinwohl gelten soll, im herrschaftsfreien Diskurs bestimmt. Für die unternehmerische Tätigkeit gilt bisher, dass sich Gemeinwohl aus Aspekten wie „Nachhaltigkeit“ und „gesellschaftlicher Verantwortung“ definiert. Zum Gemeinwohl in der politischen Philosophie, Praxis und Recht: https://de.wikipedia.org/wiki/Gemeinwohl
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss hat 2015 empfohlen, das Modell der Gemeinwohl-Ökonomie in den einzelstaatlichen Rechtsrahmen, als auch in den europäischen Rahmenvertrag zu integrieren. Unternehmen soll eine Gemeinwohl-bilanzierung vorgeschlagen werden und es sollen für die Zukunft Investitionspläne auf dieses Ziel hin untersucht werden. Ziel ist "der Wandel hin zu einer europäischen ethischen Marktwirtschaft“ http://www.publik-forum.de/Publik-Forum-19-2015/ethik-in-die-bilanz Seit Thomas von Aquin (13.Jhd.) ist der Gemeinwohlbegriff Kennzeichen jeder Soziallehre: „Bonum commune est melius quam bonum unius“. Thomas von Aquin: Secunda Secundae. Quaestio 47. Articulus 10.
Nach Christian Felber lässt sich das Gemeinwohl messen anhand der Erfüllung folgender ethischer Fragen:
Wie sinnvoll sind die Produkte/Dienstleistungen?
Wie human sind die Arbeitsbedingungen?
Wie ökologisch wird produziert?
Wie ethisch wird verkauft?
Wie kooperativ und solidarisch verhält sich das Unternehmen zu anderen Unternehmen?
Wie werden die Erträge verteilt?
Werden Frauen gleich behandelt und bezahlt?
Wie demokratisch werden die Entscheidungen getroffen?
Die Bilanzierung müsste erfolgen nach einem gesetzlichen Standard, der die Einschätzung nach Kriterien definiert, u.a. auf Partizipative Entwicklung, Ganzheitlichkeit, Messbarkeit/Bewertbarkeit, Vergleichbarkeit, Verständlichkeit, Öffentlichkeit, Externe Prüfung, Verbindlichkeit, Gesamtmodell (Ebd. Nach S.38/39). Vorgesehen ist eine Kennzeichnung des Bilanzergebnisses auf alle Produkte und Dienstleistungen nach Stufen. Auf diese Art und Weise würden nach Christian Felber  „Die >>Marktgesetze<< (würden) in Übereinstimmung mit den Grundwerten der Gesellschaft gebracht.“ (Ebd., S.43)